Wie beeinflusst die Digitalisierung den Arbeitsalltag?
In der öffentlichen Debatte wird die Digitalisierung oft als ein Faktor erwähnt, welcher den Arbeitsmarkt stark beeinflusst. Dabei fokussieren sich viele Diskussionen darauf, in welchen Berufen die Digitalisierung existierende Stellen gefährden könnte. Hingegen wird dem Effekt der Digitalisierung auf die Qualität der bestehenden Stellen relativ wenig Beachtung geschenkt. Mit diesem Beitrag untersuchen wir deshalb, wie der Arbeitsalltag von Diplomierten HF durch die Digitalisierung verändert wird.
Von Filippo Pusterla, Thomas Bolli, Ursula Renold - Team Professur für Bildungssysteme, KOF Konjunkturforschungsstelle, Department MTEC, ETH Zürich
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Unter Digitalisierung versteht man den Wandel zu digitalen Prozessen und Produkten mittels Informations- und Kommunikationstechnologien. Dieser Wandel kann sowohl neue Jobs kreieren als auch existierende Jobs ersetzen. Zudem kann die Digitalisierung aber auch den Arbeitsalltag verändern und dadurch die Arbeitszufriedenheit beeinflussen. So kann Digitalisierung zum Beispiel den Anteil an repetitiven Aufgaben reduzieren und neuartige, interessantere Aufgaben schaffen. Digitalisierung kann jedoch ebenfalls die Work-Life-Balance verschlechtern oder den Zeitdruck bei der Arbeit erhöhen. Da diesbezüglich noch kaum Evidenz vorliegt, untersucht dieser Beitrag anhand einer im Sommer 2019 durchgeführten Befragung von mehr als 3000 Diplomierten HF, wie die Digitalisierung den Arbeitsalltag verändert.
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf den Arbeitsalltag aus?
Die erste Spalte von Abbildung 1 zeigt, wie stark die Digitalisierung im letzten Jahr die Arbeit beeinflusst hat, wobei die Stärke auf einer Skala von eins bis fünf variiert. DiResultate zeigen, dass die Digitalisierung einen starken Einfluss auf die Arbeit hat. Der Durchschnitt von 3,5 ist insbesondere deshalb hoch, als dass sich die Frage auf den Einfluss im letzten Jahr bezieht
Die Befragten haben zudem angegeben, inwiefern sie Aussagen bezüglich verschiedener Einflussmöglichkeiten zustimmen. Diese Angaben, welche auf der rechten Seite von Abbildung 1 dargestellt sind, variieren ebenfalls zwischen eins und fünf. Die Befragten geben an, dass Digitalisierung insbesondere die Arbeitsproduktivität erhöht, die Arbeit interessanter macht sowie die Interaktion mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten vereinfacht. Allerdings erhöht Digitalisierung auch den Zeitdruck bei der Arbeit. Hingegen empfinden die Befragten einen weniger starken Einfluss auf die Work-Life-Balance und gehen kaum davon aus, dass ihre Stelle durch die Digitalisierung gefährdet ist.
Welche Fachbereiche sind von der Digitalisierung besonders betroffen?
Abbildung 2 zeigt die Unterschiede der Digitalisierungsauswirkungen zwischen verschiedenen Fachbereichen des HF-Studiums und dem Fachbereich «Technik». Die Ergebnisse in der ersten Spalte von Abbildung 2 zeigen, dass die Digitalisierung die Arbeit im Fachbereich «Soziales und Erwachsenenbildung» weniger verändert als im
Fachbereich «Technik». Hingegen verändert sich die Arbeit im Fachbereich «Künste, Gestaltung und Design» deutlich mehr als im Fachbereich «Technik». Diese letzte Erkenntnis beruht hauptsächlich auf Antworten des Studiengangs «Kommunikationsdesign».
Betrachtet man die Unterschiede hinsichtlich der detaillierten Einflussmöglichkeiten, zeigt sich, dass die Fachbereiche «Soziales und Erwachsenenbildung» sowie «Gesundheit» weniger stark betroffen sind als der Fachbereich «Technik». Insbesondere ermöglicht die Digitalisierung in diesen Fachbereichen weniger oft die Nutzung flexibler Arbeitszeitformen und erhöht die Autonomie weniger stark. Zudem hat die Digitalisierung einen weniger starken Einfluss darauf, wie interessant die Arbeit ist. Diese positiven Effekte der Digitalisierung sind also weniger ausgeprägt. Allerdings verwischt die Digitalisierung aber auch weniger den Übergang von Arbeitszeit und Freizeit und verschlechtert die Work-Life-Balance weniger als im Fachbereich «Technik». Folglich sind sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte der Digitalisierung weniger stark ausgeprägt. Eine Ausnahme bildet die Gefährdung der Stelle, welche im Fachbereich «Soziales und Erwachsenenbildung» als stärker empfunden wird als im Fachbereich «Technik».
In Gegensatz zu den Fachbereichen «Soziales und Erwachsenenbildung» und «Gesundheit» sind die Auswirkungen des digitalen Wandels im Fachbereich «Künste, Gestaltung und Design» stärker bewertet als im Fachbereich «Technik». Insbesondere zeigen die Antworten, dass Digitalisierung flexiblere Arbeitsformen erlaubt, dass der Übergang von Arbeitszeit und Freizeit stärker vereinfacht wird und dass Digitalisierung die Interaktion mit Vorgesetzten und Arbeitskollegen stärker vereinfacht. Allerdings erhöht sich auch der Zeitdruck stärker als im Fachbereich «Technik».
Während sich also die Fachbereiche «Soziales und Erwachsenenbildung», «Gesundheit» und «Künste, Gestaltung und Design» deutlich vom Fachbereich «Technik» unterscheiden, sind die Ergebnisse für den Fachbereich «Gastronomie und Tourismus» relativ ähnlich wie im Fachbereich «Technik». Für die Fachbereiche «Land- und Forstwirtschaft» und «Wirtschaft» sind zwar Unterschiede zum Fachbereich «Technik» erkennbar, aber diese sind relativ klein.
Unterschiede nach Kaderfunktion
Weitere Datenauswertungen zeigen, dass Kaderzugehörige (Angehörige des Kaders, Geschäftsleitung oder Direktion) stärker betroffen sind als Angestellte ohne Kaderfunktion (Assistenten, Fachspezialisten und Projektleiter). Insbesondere macht der digitale Wandel die Arbeit von Kaderzugehörigen relativ interessanter und weniger repetitiv. Zudem führt die Digitalisierung für Kaderzugehörige zu einer stärkeren Produktivitätssteigerung als für Angestellte ohne Kaderfunktion. Gleichzeitig ist der Einfluss auf den Zeitdruck weniger ausgeprägt und die Stelle von Kaderangehörigen wird weniger stark gefährdet. Überdies flexibilisiert die Digitalisierung die Arbeitsformen für Kaderzugehörige mehr. Der einzige Hinweis darauf, dass Digitalisierung Kaderangehörige auch negativer beeinflusst als Angestellte ohne Kaderfunktion, besteht darin, dass ihre Work-Life-Balance stärker beeinträchtigt wird und dass der Übergang zwischen Arbeitszeit und Freizeit stärker verschwimmt.
Zusammenfassung und Ausblick
Dieser Beitrag zeigt auf, dass die Digitalisierung den Arbeitsalltag auf verschiedene Weise beeinflusst und dass sich diese Auswirkungen nach Fachbereich und nach Kaderfunktion unterscheiden. Da die Digitalisierung sowohl positive als auch negative Einflüsse auf den Arbeitsalltag aufweist, stellt sich die Frage, wie die Arbeitszufriedenheit verändert wird und welche Einflussmöglichkeiten diesbezüglich die wichtigste Rolle spielen. Diesen Fragen soll in einer zukünftigen Analyse nachgegangen werden. Die Ergebnisse erscheinen in der nächsten ODEC-Bulletin-Ausgabe.
Herzlichen Dank!
Wir danken dem ODEC für die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Salärumfrage spezifische Fragen zum digitalen Wandel an den Arbeitsplätzen der HF-Absolventen durchzuführen. Der vorliegende Bericht basiert auf der Umfrage 2019.