Einblick in die Textil- und Fashionwelt
Zusammen mit Sonja Amport, CEO der STF Schweizerischen Textilfachschule, blicken wir bei den zwei HF-Bildungsgängen «Techniker HF Textil, Textil Design & Technologie» und «Techniker HF Textil, Fashion Design & Technologie» hinter die Kulissen.
Von Kay Uehlinger
Textilien eine Funktion geben
Bei den Technikern HF Textil, Textil Design und Technologie oder kurz bei den «Textiltechnikern»* gehe es darum, Lösungen bei der Produktion von smarten oder funktionellen Textilien, Garnen, Vliesstoffen etc. zu finden. «Im Studium lernen sie, wie innovative textile Ideen zu fertigen Produkten werden.» Weiter erklärt Amport, dass sie mit ihrem fundierten Know-how rund um die Produktentwicklung, Verfahrenstechnik, Veredelung und natürlich ihren Grundlagenkompetenzen, neue Fasern, Ausrüstungen, Funktionen sowie Herstellungsverfahren entwickeln und textile Prototypen und Muster erstellen. «Dem Stoff eine Funktion geben, heisst, dass Stoffe beispielsweise knitterfest, schwer entzündbar, wasserabstossend oder pflegeleicht ausgerüstet werden. Viele kennen dies zum Beispiel von den Herrenhemden, die sich dadurch einfacher pflegen oder bügeln lassen», so Amport. Doch auch für die Innenausstattung von Flugzeugen, Bussen, Zügen über die Entwicklung von textilen Fassaden, Sonnenschutzsegeln bis zu medizinaltechnischen Komponenten müssten immer wieder neue klimaschonende, rationelle und innovative Herstellverfahren für die Erfüllung von kundenspezifischen Anforderungen entwickelt werden.
Das Feld, das die Techniker HF «Textil» abdecken, sei sehr breit. «Genau deswegen benötigt es auch entsprechende Fachleute.» Fachleute, die bereits heute schon fehlen würden. «Den Bildungsgang können wir an der STF nur noch alle zwei Jahre durchführen, da es schwierig ist, junge Menschen für die Textilbranche zu begeistern. Es wäre toll, wenn wir dies ändern könnten. Denn die Branche ist so vielfältig und spannend», meint Amport. «Wir haben bereits jetzt einen Fachkräftemangel, der sich mit der Pensionierung der geburtenstarken Generation noch verschlimmern wird.»
Textilien eine Form geben
Auch bei den «Technikern Textil HF, Fashion Design & Technologie» drehe sich alles um Textilien. Hier jedoch mit einem zusätzlichen Fokus auch auf Mode und Trends. Amport erklärt, dass sie für das Design und die Entwicklung von Bekleidung, Textilien oder Accessoires sowie von ganzen Kollektionen verantwortlich sind. Dabei gehe es immer um den technischen Aspekt eines Schnittes, der in ein dreidimensionales Objekt überführt werden muss.
«Absolvierende designen und entwickeln neue Schnitte, Formen, Details, Farb- und Materialkonzepte an einem 3D-Avatar und analysieren und simulieren im Anschluss die Passform», erklärt Amport. So werde der Schnitt laufend optimiert. Weiter führt Amport aus, dass sie im Anschluss an die Produktentwicklung die Produktionsanweisung erstellen und die digitalen Daten an den Lieferanten senden. «Früher musste man mehrere Samplings hin- und hersenden und einer Passformkontrolle unterziehen, bis man nach mehrmaligen Korrekturläufen zum finalen Prototyp gelang. Das heutige ‹3D-Prototyping› ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch ressourcenschonender und effizienter.» Die Methode sei in der Industrie zwar noch nicht standardisiert, werde sich aber in Zukunft definitiv etablieren. «Angetrieben wird dies mehrheitlich durch die gut ausgebildeten Absolvierenden, welche die entsprechenden 3D-Kompetenzen von Grund auf erlernt haben und in ihrem Wissensrucksack in die jeweilige Branche einbringen.»
Klimaneutrale Herstellung als Ziel für die Zukunft
«Die angehenden Techniker HF Textil werden, egal welche Ausbildungsrichtung sie wählen, bereits während des Studiums mit ausgewählten Modulen auf einen umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und nachhaltigen Herstellungsprozess sensibilisiert», sagt Amport. Zudem würden insgesamt die Module im Bereich «Sustainability Management» in Zukunft an der STF noch weiter ausgebaut werden. Denn das Thema Nachhaltigkeit habe gerade in der Textil- und Bekleidungsbranche einen hohen Stellenwert, werde sie doch als eine der «schmutzigsten» Branchen gehandelt. «Dies, obwohl die Schweiz als Vorreiterin in Bezug auf nachhaltiges Denken und Handeln gilt», führt Amport aus. Dies würden auch die zahlreichen Innovationen rund um das Thema Nachhaltigkeit oder die vielen zertifizierten Labels, Produkte, Verfahren und Betriebe in der Branche zeigen.
«Leider wird und wurde die Produktion vieler Unternehmen aus Kostengründen ins Ausland verlegt.» Dies erfordere von den Absolvierenden eine hohe Mobilität. Im Ausland wiederum sei der HF-Titel leider nur wenig bekannt. Umso mehr müssten die Textiltechniker für ihre Akzeptanz auf dem internationalen Arbeitsmarkt kämpfen. «Das ist kontrovers. Sind sie doch sehr gut ausgebildet und weit entfernt von einer Hilfskraft, als welche Sie im Ausland teilweise eingestuft werden.» Aus Sicht der Schweizer Textilbranche seien sie wissenstechnisch dem Textilingenieur ebenbürtig.»
Die internationale Ausrichtung der Textil- und Bekleidungsbranche sei mitunter ein Grund, weshalb die STF Schweizerische Textilfachschule seit über zehn Jahren eine intensive Zusammenarbeit mit der University of West London (UWL) pflege. Wie Amport erklärt, ist die STF deren validierte Partnerin und gemeinsam bieten die beiden Institutionen zusätzlich neben dem HF-Studium je einen Bachelortitel im jeweiligen Fachgebiet an. «Die Abschlüsse zum Bachelor (Hons) Textile Design & Technology oder Bachelor (Hons) Fashion Design & Technology ermöglichen den Absolvierenden eine höhere Anerkennung und bessere Positionierung im internationalen Umfeld.» Eine Garantie für eine bessere Anstellung sei jedoch auch dieser Abschluss nicht. «Die Art der Anstellung hängt weiterhin mehrheitlich von den eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten, dem Durchhaltewillen sowie der Motivation ab. In der Regel besitzen Textiler viel davon», meint Amport abschliessend.
Aus der Sicht von Absolvierenden
Rebekka Federer, dipl. Technikerin HF «Textil, Fashion Design & Technologie», und Olivier Noth, dipl. Techniker HF «Textil, Textil Design & Technologie», haben ihren Abschluss an der STF gemacht.
Für Rebekka Federer war bereits früh klar, wohin ihre berufliche Reise gehen soll. «Während meiner Grundausbildung hat mich die Schnitttechnik und die Produktentwicklung derart gefesselt, sodass ich früh nach weiteren Ausbildungen zu recherchieren begann.» Mit Gedanken an ein Vollzeitstudium kamen für sie zuerst auch Schulen aus dem Ausland infrage. Letztlich blieb sie aber in der Schweiz. «Die STF in Zürich konnte mir zwar kein Vollzeitstudium bieten, aber dafür eine sehr breite Ausbildungsbasis mit vielen weiteren Möglichkeiten.» Möglichkeiten, die sie auch zu nutzen wusste. «Mit dieser Ausbildung erreichte ich einen beruflichen Meilenstein, um in der Textilbranche Fuss zu fassen.» Deshalb ist sie der Meinung: «Ein HF-Abschluss kann ganz klar ein Türöffner für die Zukunft sein.» Welcher sie mit dem Erhalt des «Bachelor (Hons) Fashion Design & Technology» noch abrundete.
Olivier Noth hingegen hat sich rund zwei Wochen vor Ausbildungsbeginn – auf Empfehlung seines damaligen Vorgesetzten – bei der STF eingeschrieben. «Plötzlich sass ich da im Klassenzimmer als absoluter Quereinsteiger.» Er habe zwar bereits in einer Textilfirma gearbeitet, jedoch nur wenige Kenntnisse über das Potenzial von Textilien gewusst. Auch er nutzte das HF-Studium als Türöffner und erlangte zusätzlich noch den «Bachelor (Hons) Textile Design & Technology». «Die Ausbildung an der STF hat mir geholfen, eine komplett neue Arbeitswelt zu entdecken, die unheimlich abwechslungsreich ist und Spass macht!» Weiter meint er: «Die heutige Textilindustrie befindet sich in einem konstanten Wandel, der immer wieder neue Möglichkeiten und Chancen bietet.» Diese könnten aber nur wahrgenommen werden, wenn motivierter Nachwuchs gefunden werde, der sich den Herausforderungen stelle.
Zur besseren Lesbarkeit wurde auf eine neutrale Schreibweise beim Begriff «Techniker» verzichtet.