Einblick in die Sozialpädagogik HF

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Der Beruf von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen HF bietet die Möglichkeit, aktiv zur sozialen Gerechtigkeit und zum Wohlergehen der Gesellschaft beizutragen. Wir werfen zusammen mit Susanne Aeschbach, Prorektorin und Co-Leiterin Bildungsgang Sozialpädagogik an der Höheren Fachschule für Gesundheit und Soziales HFGS und Dr. phil. Myriam Rutschmann, Leiterin Curriculum und Promotion bei Agogis einen genauen Blick auf das Berufsfeld.
 

Von Kay Uehlinger


Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen HF üben einen Beruf aus, der nah am Menschen ist, sprich bei dem der Mensch im Zentrum steht. So sind auch deren Kompetenzen darauf angelegt. Ein Blick in den Rahmenlehrplan zeigt uns die geforderten Kompetenzen, aber auch Voraussetzungen für den Beruf als Sozialpädagogin/Sozialpädagoge HF auf.

Kernkompetenzen

Auszug aus dem Rahmenlehrplan:

Diplomierte Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen HF begleiten und unterstützen Menschen, deren selbständige Lebensgestaltung und gesellschaftliche Teilhabe erschwert oder gefährdet ist.

Im Fokus ihrer Tätigkeiten stehen die Anliegen und individuellen Lebenspläne der begleitenden Menschen. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen orientieren sich an deren Potenzial und fördern deren individuellen Ressourcen. Sie stärken begleitende Menschen, eigenständige Entscheidungen zu treffen und ihre Interessen selbst zu vertreten. Gleichzeitig engagieren sie sich für die Überwindung gesellschaftlicher Barrieren und fördern die soziale Einbindung der begleiteten Menschen.

Die zu bewältigenden Situationen sind in der Regel komplex, verändern sich laufend und können nur beschränkt vorausgesehen werden. Es wird eine selbständige Problemlösung erwartet, wobei auch neue Lösungswege gesucht und vorhandene Instrumente und Methoden weiterentwickelt werden müssen. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen analysieren und bewerten die Prozesse und Ergebnisse anhand komplexer Kriterien und tragen die volle Verantwortung für ihre Entscheidungen und Handlungen. Sie übernehmen organisatorische, planerische und administrative Aufgaben wie das Verfassen von Rapporten, Gesuchen und Berichten.

Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen arbeiten mit anderen Fachpersonen und -stellen zusammen. Dazu gehören Fachpersonen und -stellen aus benachbarten Fachgebieten (z.B. Gemeindeanimation, Heilpädagogik, Psychologie oder Arbeitsagogik) und aus verwandten Arbeitsfeldern (z.B. Schule, Beratung und Therapie, Psychiatrie, Pflege, Rehabilitation oder Arbeitsintegration). Eine Zusammenarbeit erfolgt ebenfalls mit den zuweisenden Instanzen wie Sozialdiensten, Schulbehörden, Vollzugsstellen der Sozialversicherung (z.B. der IV), Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden, Justiz und Polizei.

Dipl. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen HF bringen Interesse am Kontakt mit Menschen und Offenheit gegenüber vielfältigen Lebensentwürfen, hohes Verantwortungsbewusstsein, Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion, Interesse an der Arbeit im Team, Flexibilität, Bereitschaft für unregelmässige Arbeitszeiten und körperliche und psychische Belastbarkeit mit.

Vielfältiges Einsatzgebiet

«Professionelle der Sozialpädagogik arbeiten vorwiegend in sozialen Organisationen für unterschiedliche Zielgruppen, beispielsweise Menschen mit Beeinträchtigung, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen im Straf- und Massnahmenvollzug», sagt Aeschbach.

Ausserdem, fügt Rutschmann an, gehören zu ihren Arbeitsfeldern auch Selbsthilfeorganisationen sowie soziale Projekte und Initiativen. Sie würden auch aufsuchend arbeiten (z.B. Gassenarbeit, sozialpädagogische Familienbegleitung, Assistenzdienste).

Sozialpädagogik HF und Sozialpädagogik FH: Worin liegen die Unterschiede?

Rutschmann erklärt, dass die grössten Unterschiede auf den höheren Praxisbezug sowie die Zulassungskriterien zurückzuführen seien. «Die Zulassungskriterien für ein Studium an einer Höheren Fachschule sind eine mindestens dreijährige berufliche Grundbildung mit eidg. Fähigkeitszeugnis oder ein Mittelschulabschluss mit mindestens einjähriger Arbeitserfahrung oder eine andere gleichwertige Ausbildung.» Zudem müsse ein Vorpraktikum von mindestens drei Monaten (400 Stunden) in einer Institution des angestrebten Berufsfeldes absolviert werden. «Bei der Fachhochschule hingegen ist eine Gymnasiale Maturität, Berufs- oder Fachmaturität oder ein Diplom einer Höheren Fachschule mit mindestens drei Monaten Arbeitserfahrung im Sozial-, Gesundheits-, Erziehungs- oder Bildungsbereich Voraussetzung.»

Sowohl das HF-Studium als auch das FH-Studium würden auf dem Kompetenzniveau 6 (NQR) abschliessen. Die Gewichtung sei aber eine etwas andere, meinen die beiden Expertinnen. Die Studierenden werden an einer Höheren Fachschule insbesondere von schulischer Seite enger begleitet in ihrer Kompetenzentwicklung. Besonderer Wert werde auf den Theorie-Praxis-Transfer gelegt.

Worin sie sich jedoch weniger unterscheiden würden, seien die Tätigkeiten beim Berufseinstieg, die sich oft gleichen wie auch die Löhne. Auch Aufstiegschancen in Leitungspositionen seien mit beiden Abschlüssen möglich.

Fachkräftemangel: Ursachen und Folgen

Beide Expertinnen sind sich einig, dass der Fachkräftemangel besonders auf demografische Entwicklungen zurückzuführen sei.

Rutschmann verweist auf eine Studie, die von SAVOIRSOCIAL (Schweizerischer Dachverband für die Berufsbildung im Sozialbereich) durchgeführt wurde. «Gründe wie mangelnde Karrierechancen, tiefe Löhne, geringe gesellschaftliche Anerkennung und fehlende Personalressourcen gehören ebenfalls dazu. Der Dauerbelastung soll mit flexibleren Arbeitszeiten, tieferen Beschäftigungsgraden oder einer konsequenten Aufgaben- und Verantwortungszuteilung entgegengewirkt werden.»

Zudem wolle man den steigenden Bedarf unter anderem mit der Förderung des Berufsabschlusses für Erwachsene und einem erleichterten Einstieg in die berufliche Grundbildung begegnen und Berufe der höheren Berufsbildung sollen noch intensiver genutzt werden, um die Professionalisierung in der Branche voranzubringen. «Aber auch die Politik ist gefordert, indem sie die Qualität und die Attraktivität der Berufsbildung im Sozialbereich und die Leistungsqualität in den Betrieben sichert und wertschätzt», meint Rutschmann. Letzteres trage gleichzeitig auch zur Arbeitsqualität bei. «Schlussendlich geht es auch darum, Weiterbildungsinteressierte im Tertiärbereich kantonsübergreifend zu unterstützen, was in den Zeiten der umfassenden Sparprogramme in den Kantonen eine Herausforderung ist.»

Dieser Meinung schliesst sich auch Aeschbach an: «Der Fachkräftemangel führt unter anderem dazu, dass es für soziale Organisationen herausfordernder ist, ihre Stellen innert nützlicher Frist mit Fachpersonen zu besetzen. Das führt punktuell immer wieder zu einer höheren Arbeitsbelastung, wenn Stellen nicht nahtlos besetzt werden können.» Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: «Diplomierte Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sind durch die grössere Nachfrage sehr begehrt auf dem Arbeitsmarkt und finden oft mit Leichtigkeit eine Stelle.»

Faszination Sozialpädagogik HF

«Das pädagogische Feld hat mich schon seit jeher interessiert», erzählt Rutschmann. «Nachdem ich einige Jahre als Primarlehrerin gearbeitet habe, stellte ich fest, dass die Sozialpädagogik/Soziale Arbeit diejenigen Fragen bearbeitet, die mich wirklich interessieren.» Dazu würden Fragen gehören, die sich zwischen Gesellschaft und Individuum bewegen würden, wie beispielsweise gesellschaftlich und professionell als relevant angesehene menschliche «Problemsituationen».

Nach Universitätsstudium, Promotion und längerer Forschungstätigkeit war es für Rutschmann folgerichtig, an eine HF Sozialpädagogik zu wechseln. «Sozialpädagogik/Soziale Arbeit ist eine Profession im engeren Sinne mit einem Handlungsfeld und findet letztlich in der Performanz statt.»

«Sozialpädagogik ist ein äusserst vielseitiger Beruf», meint Aeschbach. Dabei beziehe sich die Vielseitigkeit sowohl auf die Arbeitsfelder, die Zielgruppen als auch auf die konkreten Tätigkeiten. «Das macht die Arbeit enorm abwechslungsreich und spannend.» Zudem sagt sie: «Der Mensch steht immer im Zentrum, was die Arbeit sehr sinnhaft macht.»


Serie: «Vorstellung von HF-Fachrichtungen»

Es gibt über 55 Fachrichtungen. Die weniger präsenten stellen wir in unseren Bulletins näher vor.