Ein Hurrikan entpuppt sich als laues Lüftchen

Projekt aufbrechen

Das Projekt «Positionierung HF» entpuppt sich immer mehr zur Alibiübung! Ob noch einzelne, nützliche Massnahmen für uns HF-Diplomierte vom Bund und von den Kantonen umgesetzt werden, wird sich zeigen. Der ODEC ist für Alternativen gerüstet.

Von Urs Gassmann

Projektstart bis heute

Im Mai 2018 wurde die Motion «Höhere Fachschulen. Profil stärken, Qualität sichern, Attraktivität steigern» eingereicht und anschliessend angenommen. Bundesrat Parmelin erteilte dem SBFI einen Auftrag, der zum Projekt «Positionierung HF» führte.

Gerne hätten wir Positives über die Entwicklung des Projekts geschrieben, beispielsweise, wie das SBFI mit Schwung endlich wichtige Verbesserungen in der HF-Stufe einführen wird. Oder, dass die Stufe HF nicht erneut – zum vierten Mal(!) – getäuscht und hingehalten wird. ​

Nach zwei Jahren Arbeit am Projekt, Ende Juli 2020, wurde eine Auslegeordnung zur Positionierung der Höheren Fachschulen präsentiert. Darin wurden 19 mögliche Massnahmen vorgestellt, die zur Verbesserung der Positionierung der Stufe Höhere Fachschulen führen würden. Dann begannen die Mühlen der Verwaltung zu mahlen. Laufend wurden Massnahmen zermalmt, eine um die andere, bis nur noch einige wenige übrig geblieben sind.

Zum letzten Bericht «Positionierung HF» – wo es noch immer um Massnahmen geht und noch nicht um deren Umsetzung – wurden nur sechs Vereinigungen oder Dachverbände zu einer Stellungnahme eingeladen. Dem ODEC wurde nach unserer Intervention, dass die betroffenen HF-Diplomierten nicht von den eingeladenen sechs Teilnehmenden repräsentiert werden, nachträglich ebenfalls die Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Diese haben wir wahrgenommen und sie fristgerecht eingereicht. Der Bericht wird am 23. November 2022 (nach Einsendeschluss dieser Bulletin-Ausgabe) anlässlich der Sitzung der Tripartite Berufsbildungskonferenz (TBBK) besprochen. Selbstverständlich folgen weitere Informationen.

Präferenzen des SBFI

Befremdend ist, dass nun in der Endphase und der Besprechung dieses Berichts, der Vereinigung swissuniversities der gleichwertige Stellenwert wie der TBBK eingeräumt wird. Es zeigt leider auf, wo die Präferenzen des SBFI liegen. Denn ein Gegenrecht, bei Themen der Hochschulen, wurde bis anhin für die Höheren Fachschulen nicht eingeräumt.

An dieser Sitzung könnten noch Weichen gestellt werden. Doch auch wenn die TBBK die vier einflussreichsten und grössten OdAs (Organisationen der Arbeitswelt) der Berufsbildung und die Kantone zusammenbringt, ist es schwer abzuschätzen, inwiefern und ob diese Konferenz überhaupt Entscheide des SBFI beeinflussen kann. Die Entwicklungsmöglichkeiten der HF-Stufe haben, wenn man den Verlauf des HF-Projekts rückwirkend betrachtet, bereits ein Jahr nach dessen Start mit den aufgezeichneten 19 Massnahmen zur Verbesserung der Positionierung der Stufe HF den Höhepunkt erreicht. Danach wurde nur noch gestrichen. ​

Überbleibsel

Die grösseren noch übrig gebliebenen Massnahmen sind die bessere Finanzierung der Bildungsgänge und die Einführung des Titels «Professional Bachelor». Wobei auch die Finanzierung, wie weiter unten beschrieben, bereits unter fadenscheinigen Gründen ausgehebelt wird. Nebst der ebenfalls wichtigen «Gesetzlichen Verankerung eines Bezeichnungsschutzes», bleiben noch zwei Scheinmassnahmen «Stärkere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der Höheren Berufsbildung und der Hochschulen» und «Umsetzung von Kommunikations- und Marketingmassnahmen auf verschiedenen Ebenen» von den 19 Massnahmen bestehen.

Langsame Demontage von Verbesserungen

In den letzten 22 Jahren wurde dieses Vorgehen bereits viermal durchlebt. Die Verwaltung stellt Verbesserungen in Aussicht und es wird ein grosser Aufwand betrieben. Viele Menschen und Verbände werden involviert und beschäftigt. Doch letztlich geschieht nichts Bewegendes. Nicht nur Projekte durchlaufen diesen Prozess zum vierten Mal, auch Angestellte des Bundes werden zermürbt: Je länger das Projekt dauert und Verbesserungsmassnahmen konkreter werden, desto kleiner scheinen die Möglichkeiten und letzten Endes auch das Interesse, etwas verändern zu wollen.

Die Organisation «Verwaltung» gleicht einem Supertanker, der sich nur schwer beeinflussen lässt. Abweichungen vom eingegebenen Kurs sind nicht geplant.

Rückblick auf die letzte Arbeitstagung

Die letzte Arbeitstagung des SBFI zu den Massnahmen fand Mitte August 2022 statt. Noch nie waren die Teilnehmenden so demoralisiert oder desillusioniert.

Die Kernaussagen und Zusammenfassung des Eingangsreferats waren für die interessierten Teilnehmenden eine Enttäuschung schlechthin. Vielleicht haben wir ja alle etwas Falsches verstanden? Die Zusammenfassung der letzten Arbeitstage und der Zwischenberichte wurde wie folgt aufgenommen: «Eigentlich braucht die bestehende Positionierung HF keine Veränderung, die HF-Stufe ist gut so, wie sie ist. Der Auftrag aus der Motion ist für uns erfüllt.» Haben wir uns wirklich verhört?

Der nächste Tiefpunkt folgte vom Generalsekretariat der EDK (Erziehungsdirektoren Konferenz): Eine Anpassung der Finanzierung wäre mit viel Aufwand und Zeit verbunden. Zudem sei die aktuelle Interkantonale Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der Höheren Fachschulen (HFSV) erst acht Jahre alt. Auch hier zeigt sich die fehlende Motivation, sich erneut mit dem Thema auseinanderzusetzen und den Arbeitsaufwand anzugehen.

Dann doch noch etwas Positives aus der Kommission Höhere Fachschulen der SBBK (Schweizerische Berufsbildungsämter-Konferenz): Statt reinem Föderalismus will die SBBK das Vorgehen der Kantone vereinheitlichen respektive koordinieren. Folgende Punkte werden berücksichtigt:

  • Erarbeitung von Grundlagen für die Qualität der Bildungsgänge der Höheren Fachschulen (HF) und der Nachdiplomstudien HF (NDS HF)
  • Vernetzung der Kantone untereinander und mit dem Bund im Bereich HF und NDS HF sicherstellen
  • Vollzug der MiVo HF inkl. Rollen, Aufgaben und Kompetenzen prüfen und bei Bedarf Optimierungsvorschläge erarbeiten
  • Einheitlichen Vollzug fördern und Verbindlichkeit der Aufsicht sicherstellen

Fazit

Für das SBFI scheint die Motion erledigt, obwohl 19 Massnahmen zur Verbesserung der Positionierung der Stufe HF eruiert wurden, jedoch noch keine bisher umgesetzt wurde. Am Hurrikan, der etwas hätte bewegen können, wurde so lange herumgeschraubt, bis schliesslich nur noch ein laues Lüftchen übrig blieb, das nicht wirklich wichtige Veränderungen auf der Stufe HF schafft.

Ab dem Jahr 2023 wird sich zeigen, ob doch noch vereinzelte, nützliche Massnahmen von Bund und den Kantonen umgesetzt werden oder ob die Stufe HF weiterhin, wo möglich, Lösungen auf anderen Wegen nutzen muss. Eine, wie vom Bund viel beschworene klare Systematik, wird es dann leider nicht mehr geben. Der Vorwurf der «Zwängerei» wird sicher wieder laut, aber leider bleibt – auch für den ODEC – keine andere Wahl, als weiterhin eigene Wege zu gehen.

Unsere Befürchtung scheint bestätigt: «Alles nur eine Alibi-Übung!»