Höhere Berufsbildung oder Hochschule: Welche Abschlusspräferenzen haben Arbeitgebende?
Auf Tertiärstufe bringt sowohl die Höhere Berufsbildung als auch die Hochschulen hoch qualifizierte Personen hervor, die sich mit unterschiedlichen Bildungswegen für dieselben beruflichen Positionen qualifizieren. Der folgende Beitrag stellt die Resultate einer Studie vor, welche die Präferenzen von Arbeitgebenden in Bezug auf verschiedene Bildungswege untersucht.
Von Ladina Rageth, Aranya Sritharan, Ursula Renold¹
In der Forschung wird der Nutzen einer bestimmten Bildung häufig durch den Arbeitsmarkterfolg von Personen mit einem entsprechenden Abschluss ermittelt. Da Arbeitgebende darüber entscheiden, welche Personen Zugang zu offenen Positionen erhalten, wird dieser Erfolg bereits in Rekrutierungsprozessen mitbestimmt. Deshalb ist es wichtig, die Präferenzen von Arbeitgebenden für oder gegen bestimmte Bildungswege und -abschlüsse zu verstehen. So untersucht die dem vorliegenden Beitrag zugrundeliegende Studie, ob Arbeitgebende in der ersten Phase des Rekrutierungsprozesses für Führungspositionen eher Personen mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung bevorzugen oder jene mit einem Hochschulabschluss, wenn beide Bildungswege für eine bestimmte Position qualifizieren.
Quasi-Experiment zur Erhebung von Präferenzen im Rekrutierungsprozess
Wir haben die Präferenzen von Arbeitgebenden in der Schweiz in Bezug auf verschiedene Bildungswege im Rahmen einer Befragung mit integriertem Quasi-Experiment untersucht. An dieser Befragung haben sich 2384 Arbeitgebende in der Schweiz beteiligt und dabei von uns erstellte, fiktive Lebensläufe für hypothetische offene Stellen bewertet. Um so viele Arbeitgebende wie möglich anzusprechen, fokussierten wir dabei auf Stellenausschreibungen, die in möglichst vielen verschiedenen Branchen aufzufinden sind: bei den Führungspositionen waren dies «Verkaufsleitung»² und «Leitung IT». Zudem wurde anhand einer Analyse von realen Stellenausschreibungen überprüft, ob sich Personen mit unterschiedlichen Bildungswegen für diese Stellen qualifizieren können.
Die dabei befragten Arbeitgebenden bewerteten vier hypothetische Lebensläufe für eine der beiden Positionen, je nachdem, mit welcher Position sie besser vertraut waren. Dank eines Workshops mit rekrutierungserfahrenen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Branchen konnten wir einerseits sicherstellen, dass die hypothetischen Lebensläufe und Stellenausschreibungen realistisch sind, und andererseits, dass alle hypothetischen Bewerbenden für die offenen Stellen qualifiziert waren.
Die den Befragten präsentierten Lebensläufe unterschieden sich insbesondere in Hinsicht auf den Bildungshintergrund der Bewerberin oder des Bewerbers. Diese hatten entweder einen Abschluss der Höheren Berufsbildung – konkret eine Höhere Fachprüfung (HFP) – oder einen Hochschulabschluss – konkret einen Master von einer Universität oder Fachhochschule. Die Lebensläufe der Bewerbenden enthielten noch weitere Merkmale und Abbildung 1 zeigt beispielhaft, wie die den Befragten präsentierten hypothetischen Lebensläufe aussahen.
Den Arbeitsmarkterfolg eines Bewerbers oder einer Bewerberin messen wir daran, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass er oder sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Die Arbeitgebenden konnten die entsprechende Frage auf einer Skala von 1 (= sehr unwahrscheinlich) bis 10 (= sehr wahrscheinlich) beantworten.
Präferenzen der Arbeitgebenden unterscheiden sich nach Position
Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für ein Vorstellungsgespräch der Lebensläufe mit Abschluss einer Höheren Berufsbildung und derjenigen mit einem Hochschulabschluss. Dabei zeigt sich, dass für die beiden Positionen unterschiedliche Präferenzen bezüglich des Bildungshintergrunds einer Person bestehen. Für die Position «Verkaufsleitung» haben Arbeitgebende eine leicht höhere Präferenz für Personen mit einer Höheren Berufsbildung, während sich für die Position «Leitung IT» keine klaren Präferenzen zeigen.
Die Ergebnisse der Regressionsanalysen – in welchen wir ermitteln, ob diese Unterschiede statistisch gesichert sind – bestätigen diese Resultate: Für die Position «Verkaufsleitung» haben Personen mit Abschluss einer Höheren Berufsbildung bessere Chancen für eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Für die Position «Leitung IT» haben jedoch Personen mit einem Hochschulabschluss leicht bessere Chancen.
Vertrautheit mit dem Berufsbildungssystem kann Präferenzen der Arbeitgebenden beeinflussen
Studien aus anderen Ländern zeigen, dass Arbeitgebende einheimische Bildungsabschlüsse gegenüber ausländischen Bildungsabschlüssen bevorzugen, da sie mit letzteren weniger gut vertraut sind. Allerdings können Arbeitgebende auch mit den innerhalb eines Landes angebotenen Ausbildungen unterschiedlich gut vertraut sein, beispielsweise aufgrund ihres eigenen Bildungswegs. Deshalb untersuchten wir zudem, ob sich eine stärkere Vertrautheit der Arbeitgebenden mit dem Berufsbildungssystem in einer stärkeren Präferenz für dessen Abschlüsse äussert.
Dabei approximieren wir das Konzept der Vertrautheit mithilfe von fünf Merkmalen der Arbeitgebenden, die gemäss der Literatur ihre Wahrnehmung und Vertrautheit mit dem Berufsbildungssystem beeinflussen. Dabei verwenden wir die folgenden Merkmale:
- Anstellung im Personalwesen (im Vergleich zu Anstellung in einer anderen Abteilung
- In der Schweiz geboren (im Vergleich zu im Ausland geboren)
- Gemischter Bildungspfad oder Berufsbildungspfad (im Vergleich zu nur Allgemeinbildung)
- Anstellung in der Deutschschweiz (im Vergleich zu Anstellung in der lateinischen Schweiz)
- Einschätzung, dass Berufsbildung für die Firma eine hohe Relevanz hat (im Vergleich zu tiefer Relevanz)
Abbildung 3 illustriert diese Resultate grafisch, indem die horizontale Achse den Unterschied in der Wahrscheinlichkeit für ein Vorstellungsgespräch zeigt in Abhängigkeit davon, wie vertraut die Arbeitgebenden mit dem Berufsbildungssystem sind. Ein positiver Wert bedeutet, dass das jeweilige Merkmal zu einer stärkeren Präferenz für Bewerbende mit einer Höheren Berufsbildung führt. Beispielsweise zeigt die Abbildung für die Position «Verkaufsleitung», dass die Präferenz von Arbeitgebenden für Personen mit einer Höheren Berufsbildung stärker ist, wenn die Arbeitgebenden im Personalwesen sind.
Grundsätzlich zeigen die Resultate, dass eine grössere Vertrautheit mit dem Berufsbildungssystem auch zu einer verstärkten Präferenz für dessen Abschlüsse führt. Allerdings lassen sich dabei wieder deutliche Unterschiede zwischen den beiden untersuchten Positionen erkennen. Bei der Position «Verkaufsleitung» verstärken alle untersuchten Merkmale die Präferenz der Arbeitgebenden für Personen mit einer Höheren Berufsbildung. Diese Ergebnisse sind statistisch gesichert – ausser bei der Unterscheidung, ob die Befragten in der Schweiz geboren sind oder im Ausland. Auch bei der Position «Leitung IT» zeigt sich ein positiver Einfluss der höheren Vertrautheit mit der Berufsbildung auf die Präferenz für deren Abschlüsse – ausser bei der Unterscheidung, ob die Befragten in der Deutschschweiz oder in der lateinischen Schweiz angestellt sind –, jedoch sind diese meistens nicht statistisch gesichert.
Zusammenfassung
Die hier vorgestellte Studie untersuchte die Präferenzen von Arbeitgebenden in Bezug auf den Bildungshintergrund von Personen in Rekrutierungsprozessen. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Position «Verkaufsleitung» die Arbeitgebenden eher Bewerbende mit einem Abschluss der Höheren Berufsbildung bevorzugen; bei der Position «Leitung IT» bevorzugen sie jene mit einem Hochschulabschluss. Die Präferenz für Personen mit einem Hochschulabschluss für die Leitung IT könnte damit zusammenhängen, dass Arbeitgebende für diese Positionen eher Personen mit generalistischen und übertragbaren Fähigkeiten suchen und solche Personen eher eine Hochschule als eine Höhere Berufsbildung absolvieren. Bei der Verkaufsleitung kann diese Präferenz zudem gefördert werden, indem die Vertrautheit der Arbeitgebenden mit dem Berufsbildungssystem erhöht wird – bei der Leitung IT ist dies nur eingeschränkt möglich.
¹ Professur für Bildungssysteme, ETH Zürich, in Kooperation mit Yousty AG. Das Projekt wurde von der Hirschmann-Stiftung finanziert.
² Für Befragte aus der öffentlichen Verwaltung wurde diese Position «Leitung Organisationseinheit» genannt.